So gut wie hochmoderne RLT-Anlagen
Vergleichende Bewertung zwischen mobilem Raumluftreiniger, RLT Anlage, freierLüftung und Querlüftung
von Christian J. Kähler, Rainer Hain
Universität der Bundeswehr München
Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik
Fazit
Wenn moderne und leistungsfähige RLT Anlagen in Gebäuden verfügbar sind, die mit 100% Außenluft und einer Luftwechselrate von mindestens 6 betrieben werden, kann die Aerosolpar-tikelkonzentration – und damit die Konzentration von potentiell in den Aerosolpartikeln enthaltenen Viren – deutlich reduziert werden. Hiermit einhergehend kann von einer Reduzierung der Wahrscheinlichkeit für eine indirekte Infektion ausgegangen werden.
Die Querlüftung über beide Fenster weist in den hier durchgeführten Untersuchungen eine etwas höhere Luftwechselrate als die der RLT auf. Der gute Wert konnte erzielt werden, weil draußen der Wind recht stark wehte. Bei anderen Außenumgebungen können sich höhere, in den meisten Fällen aber tendenziell eher geringere Luftwechselraten ergeben. Zudem müssten bei der in diesem Versuch ermittelten Luftwechselrate beide Fenster zu etwa 2/3 der Zeit auch wirklich geöffnet sein, um eine ähnliche Effizienz wie die RLT zu erreichen. Das Öffnen und Schließen der Fenster muss in regelmäßigen kurzen Abständen erfolgen, um einen Anstieg der Virenlast im geschlossenen Raum zu vermeiden. Von 15 Minuten müssten sie 10 Minuten geöffnet und 5 Minuten geschlossen sein, um eine ähnliche Effizienz wie die RLT zu erreichen. In den kalten Monaten führt dies zu einer starken Temperaturabnahme im Raum, so dass gegenüber dem Konzept der Fensterlüftung klar die RLT Anlage zu bevorzugen ist. Durch ein kurzzeitiges Öffnen der Fenster von wenigen Minuten wird das Lüftungsergebnis sehr viel schlechter ausfallen und weit unter den Werten der kontinuierlich arbeitenden RLT Anlage sein. Schließlich ist zu bemerken, dass die freie Lüftung physikalisch nur funktioniert, wenn draußen der Wind wehtoder ein großer Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen vorliegt. Durch das ständige Lüften wird aber dieser Temperaturunterschied über längere Zeiträume abgebaut und damit auch die Lüftungseffizienz. Es ist aber davon auszugehen, dass dieses Konzept schon vorher an der Bereitschaft der Menschen scheitert, denn wer sitzt schon gerne in einem kalten Raum.
Die einseitige Fensterlüftung hat sich in dem Experiment als sehr schlecht erwiesen. Selbst wenn das Fenster dauerhaft geöffnet ist, kann keinausreichender Luftaustausch erzielt wer-den. Mit der kurzzeitigen Stoßlüftung wird daher nur eine vergleichsweise geringe Reduzierung der Aerosolpartikelkonzentration erreicht. Wenn deutlich mehr Fenster geöffnet werden könnten, dann würde sich das Lüftungsergebnis zwar verbessern, allerdings ist dann die Tempera-turabnahme im Raum nach einigen Lüftungszyklen stark und damit wird wiederum die Lüftungseffizienz reduziert. Aus diesem Grund ist die einseitige Fensterlüftung nur in seltenen Fällen praktisch geeignet um die Virenlast ausreichend zu reduzieren. Ferner ist die Fenster-lüftung oft mit einer erheblichen Lärmbelästigung verbunden, da außerhalb Lärm von der Straße oder der Umgebung in die Zimmer eindringt. Aber auch starke Zugerscheinungen sind als Nachteil der Fensterlüftung zu nennen, wenn sie denn effizient funktioniert.
Mobile Raumluftreiniger können eine vergleichbare Reinigungsleistung wie die RLT Anlage erzielen, allerdings muss dazu der Volumenstrom vergrößert werden, da die RLT Anlage aufgrund der verteilten Zu–und Abluftöffnungen effizienter arbeitet. Dies ist aber mit dem getesteten Gerät problemlos möglich. Aufgrund des erhöhten Volumenstroms kann die Lärmentwicklung signifikantsein. Um diesem Problem zu begegnen ist der Einsatz von zwei mobilen Luft-reinigern zu empfehlen. Damit lassen sich dann bei relativ geringen Lärmemissionen vergleichbare Filterleistungen erzielen wie mit der RLT Anlage. Allerdingsgeht die Lärmreduzierung mit einer Erhöhung derKosten einher.Es muss aber betont werden, dass in den seltensten Fällen Gebäude mit einer derart leistungsfähigen RLT Anlage ausgestattet sind, wie sie bei diesen Experimenten zum Vergleich verwendet wurde. Die Nachrüstung einer solchen RLT Anlage würde ein Vielfaches der Anschaffungskosten von Raumluftreinigern bedeuten und eine langwierige Modernisierung des Gebäudes. Daher bieten sich mobile Raumluftreiniger als schnelle und kostengünstige Lösung an, die im Gegensatz zur freien Lüftung kontinuierlich für eine gleichbleibend hohe Raumluftfilterung sorgen, unabhängig von der Größe der Fenster, den Wind–und Temperaturbedingungen und ohne Unterbrechung der Arbeit durch das regelmäßige Öffnen und Schließen der Fenster und ohne unangenehme Temperaturbedingungen im Raum.
Raumluftreiniger arbeiten im Umluftbetrieb und daher treten keineTemperatureffekte auf. Lediglich der CO2Anstieg und andereAusdünstungen müssen mittels Fensterlüftung beseitigt werden. Mit dem hier getesteten Gerät lässt sich das automatisch über den Bypass realisieren. Der Außenluftanteil kann über einen weiten Bereich frei an die Raumgröße und die Personenzahl angepasst werden. Da die Außenluft gefiltert wird,ergibt sich bei dem getesteten Gerät gegenüber der Fensterlüftung auch der Vorteil, dass Feinstaub und Pollen nicht von außen in den Raum gelangen.
Abschließend ist zu bemerken, dass Lüftungsanlage, Raumluftreinigerund auch die Lüftung über Fenster nurdie Konzentration der Aerosolpartikel im Raum reduzierenkann. Damit sind diese Maßnahmen geeignet, um das indirekte Infektionsrisiko aufgrund einer hohen Virenlast im Raum zu reduzieren. Zur Reduzierung der direkten Infektionen durch längere Gespräche über kurze Abstände müssen ausreichend große Abstände eingehalten oder eine Mund–Nasen–Bedeckung getragen werdenoder transparente Schutzwände installiert werden.